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Dem Tod gelassen begegnen: Der „Letzte Hilfe“-Kurs zeigt, wie das geht

Wer sich eine Kaffeemaschine anschafft, arbeitet sich oft stundenlang durch Online-Rezensionen. Aber wenn es um den Tod geht, sind viele ahnungslos. Ängste nehmen, Hoffnung geben und noch vieles mehr beinhaltet der „Letzte Hilfe“-Kurs im Chiemseehospiz Bernau. Was dahintersteckt.

 

Bernau – Der Titel des James-Bond-Films „Leben und sterben lassen“ bekommt im Chiemseehospiz in Bernau eine ganz neue Bedeutung. Der Tod gehört hier zum Alltag. Das Leben aber auch.

Dem Abschied von dieser Welt, der – und das ist gewiss – jeden einmal ereilt, muss man dabei nicht angstvoll und unvorbereitet gegenüberstehen. Das macht unser Gespräch mit Psychologin Katharina Weil und Pflegefachkraft Markus Häckl (beide Chiemseehospiz) deutlich, die gemeinsam mit Freude und großem Erfolg den „Letzte Hilfe“-Kurs abhalten.

 

Es dürfte uns allen klar sein, dass das eigene Leben oder das eines geliebten Menschen einmal zu Ende geht. Doch kaum jemand beschäftigt sich damit. Ist das nicht absurd?

Katharina Weil: Nein, ich finde das verständlich. Es ist nicht richtig und nicht sinnvoll, aber nachvollziehbar.

Markus Häckl: Absurd ist das nicht, eher normal. Trauer und Traurigkeit stehen in unserer Gesellschaft – im Gegensatz zur Leistungsfähigkeit – nicht im Vordergrund. Nichtsdestotrotz ist halt jeder Mensch irgendwann in seinem Leben damit konfrontiert. Ob er das will oder nicht, spielt dann keine Rolle mehr. Früher war der Tod präsenter.

 

Sollte einem der letzte Auftritt, den man auf dieser Welt hat, nicht mehr Eigeninitiative wert sein?

Katharina Weil: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall!

Markus Häckl: Wenn man sich traut, sich auch in guten Zeiten mit den Tod auseinanderzusetzen, kann man durchaus viel Positives für sich und Angehörige gestalten.

 

Womit ist ein Mensch Ihrer Einschätzung nach öfter konfrontiert: Mit einem lebensrettenden Erste-Hilfe-Einsatz oder der Begleitung eines Sterbenden?

Katharina Weil: Hoffentlich mit Letzterem. Denn das passiert uns sowieso allen einmal. Da braucht es nicht noch mehr Drama im Leben (lacht). Aber natürlich ist beides wichtig. Aber „Letzte Hilfe“ braucht man sicher.

 

Wie unterschiedlich reagieren die Menschen angesichts des Todes?

Katharina Weil: Von tiefster schwärzester Verzweiflung bis hin zu Frieden und auch Neugier. Eine Patientin hat mir gesagt „ich traue mich kaum es zu sagen und ich weiß nicht, was kommt, aber ich freue mich irgendwie darauf“. Man erlebt wirklich alles. Wut, Liebe, Trauer, Dankbarkeit, Zärtlichkeit, Angst…bis hin zu Reaktionen, wo man kaum was sieht, wo Menschen ganz leise gehen.

Markus Häckl: Alle Gefühlsregungen, die es im menschlichen Spektrum gibt, sind da vorhanden. Traurigkeit und Unglauben stehen oft im Vordergrund, manchmal aber auch Erleichterung und Mitgefühl. Einige Menschen beschäftigen sich im Angesicht ihres Ablebens aber auch noch mal ganz intensiv mit ihrem Leben, werden kreativ, schreiben Gedanken auf oder führen klärende Gespräche. Es erstaunt mich und hat auch etwas Tröstendes, dass viele auch bis ganz zum Schluss ihr ganz normales Leben weiterführen.

 

Ist der Tod also nicht immer nur furchteinflößend?

Katharina Weil: Ich will es nicht romantisieren, mit einer schlechten Versorgung kann der Tod sicher auch quälend sein und grausam aussehen. Aber in einem Hospiz ist es zum allergrößten Teil überhaupt nicht so. Weil man so viel machen kann. Und genau das wollen wir den Menschen nahebringen. Es gibt auch grausame und schlimme Geburten, aber der allergrößte Teil der Geburten sind völlig in Ordnung, manche sind intensiver, manche ganz leise – und so ist es beim Sterben auch.

 

Wem würdet ihr den „Letzte Hilfe“-Kurs empfehlen?

Markus Häckl: Vor allem Menschen, die sich einfach näher mit dem eigenen Tod oder dem von Angehörigen beschäftigen wollen – und die das vielleicht auch zu Hause erleben wollen.

 

Erlernt man im Kurs auch ganz konkrete Hilfemaßnahmen?

Katharina Weil: Viele. Etwa, dass man im Notfall Anspruch auf eine Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) hat. Viele wissen das nicht. Oder wie man Verantwortung und Kontrolle übernimmt. Denn im Angesicht des Todes passiert viel Unkontrollierbares. Manches hat man aber doch in der Hand. Daher finde ich es notwendig, dass jeder eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht hat – nicht nur für sich, sondern auch für die Angehörigen. Gerade, wenn man statistisch gesehen noch weit davon entfernt ist, kann man sich so mit Ruhe und Sicherheit für später gut aufstellen.

Markus Häckl: Auf jeden Fall. Der Kurs besteht ja aus vier Modulen. Eines davon ist „Leiden lindern“. Da geht es um die Symptome, die am Ende des Lebens auftreten können und wie man ganz praktisch etwa mit Atemnot oder Mundtrockenheit umgeht, oder wie man eine gute Atmosphäre im Raum schafft.

 

Wie stellt man denn eine gute Atmosphäre her?

Markus Häckl: Indem man darauf achtet, wie viele Personen im Raum sind, wie man miteinander kommuniziert, das Licht gestaltet… Oder mit welchen Gerüchen man arbeiten kann, um die Sinne, die noch da sind, anzuregen, sich wohl zu fühlen.

 

Kann man dabei etwas falsch machen?

Markus Häckl: Letzten Endes gibt es keine Gewissheit, ob die Sachen, die man macht, gut ankommen. Deshalb geben wir den Menschen eindringlich mit, auf ihr Bauchgefühl zu hören, die Dinge so zu machen, wie es der Sterbende zu Lebzeiten gerne hat. Darüber hinaus senden Sterbende auch durchaus noch Zeichen aus, die man wahrnehmen kann.

 

Sie wurden nun schon so oft mit dem Tod konfrontiert. Wie stellen Sie sich denn Ihren eigenen Tod vor?

Katharina Weil: Das wurde ich noch nie so konkret gefragt. Wie eine Krankheit am Anfang, dass man immer schwächer wird und einschläft. Dann aber auch wieder sehr lebendig. Ich glaube, dass es ein fortbestehendes Bewusstsein gibt. Ich glaube an eine Art Seele, die über viele, viele Leben Erfahrungen macht und immer liebevoller und weiser und mitfühlender und kraftvoller wird.

Markus Häckl: (lacht) Tatsächlich schwankt das immer wieder. Der Tod kommt in so vielen Formen, dass es für mich fast unmöglich ist, mir das vorzustellen. Der Tod bleibt immer etwas Unfassbares.

 

Der nächste „Letzte Hilfe“-Kurs findet am Freitag, den 17. November 2023 statt. Unter „Aktuelles“ finden Sie alle weiteren Informationen.

 

Autor: Oliver Lang

Erschienen in der Chiemgau-Zeitung und unter: https://www.ovb-online.de/rosenheim/chiemgau/chiemseehospiz-bernau-angst-vor-dem-tod-nehmen-beim-letzte-hilfe-kurs-92105503.html

Aufnahme im Chiemseehospiz Bernau

Das Chiemseehospiz nimmt Menschen über 17 Jahren, mit fortgeschrittener und fortschreitender Erkrankung auf, die nur eine sehr begrenzte Lebenserwartung haben, bei denen keine Aussicht auf Heilung besteht, eine palliativ-pflegerische bzw. palliativ-medizinische Versorgung notwendig ist und eine Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V nicht erforderlich ist. Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass die Betreuung zuhause nicht mehr sichergestellt werden kann und auch durch eine stationäre Pflegeeinrichtung nicht adäquat abgedeckt werden kann. Die Einweisung erfolgt über den Hausarzt, oder Ärzte aus dem Krankenhaus.

Aufnahmekriterien sind

eine progrediente, weit fortgeschrittene Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung (von wenigen Tagen, Wochen oder Monaten), wie onkologische Erkrankungen mit Symptomlast, AIDS, neurologische Erkrankungen, Nieren-, Herz-oder Lungenerkrankung im Endstadium.

Aufklärung über Erkrankung und deren Prognose (Patient bzw. auch rechtliche Vertretung)

Einverständnis des Betroffenen zur Aufnahme im Hospiz

ambulante Versorgungsmöglichkeiten sind abgeklärt und ausgeschöpft, die Versorgungsmöglichkeit im Heim ist aufgrund der aktuellen oder zu erwartenden hohen Versorgungsanforderung ausgeschlossen und/ oder aufgrund der Situation und Symptomlast nicht angemessen

Aufnahmeprocedere

telefonische Anfrage, ob ein Hospizplatz frei ist
Fax an uns mit Notwendigkeitsbescheinigung, die der einweisende Arzt ausfüllt und Antrag nach §39a, die der Betroffene oder sein/e Bevollmächtigte/r ausfüllt
suchen eines neuen Hausarztes vor Ort, falls der bisherige die Betreuung im Chiemseehospiz in Bernau nicht übernimmt
die Aufnahme erfolgt nach Genehmigung durch die Krankenkasse
Das Chiemseehospiz möchte Menschen, egal welcher Herkunft oder Religion, die diese Kriterien erfüllen, ein sicheres Zuhause für die letzte Lebensphase bieten.

Kontakt und Anfahrt zum Chiemseehospiz Bernau

CHIEMSEEHOSPIZ BERNAU
Baumannstraße 56
83233 Bernau

CHIEMSEEHOSPIZ BERNAU
Baumannstraße 56
83233 Bernau

Tel.: 08051 - 96 18 55 -0
Fax.: 08 05 1 - 96 18 55 -7 7